Ich lese gerade Die kurze Stunde der Frauen und habe ein wenig Redebedarf.
Entweder habe das Prinzip hinter dem Buch nicht verstanden oder es liegt an meinem Alter oder sowohl Oma und Mutter haben gelogen was die Zeit angeht.
Das ebook ist schon seit einer Woche da und ich fange gerade an zu lesen (hab noch ein anderes Buch vorher beendet). Ab welchem Kapitel hast Du denn Redebedarf? Ich melde mich dann, wenn ich soweit bin.
Eigentlich schon ab dem Anfang. Meiner Meinung wird dort schon und es zieht sich durch das ganze Buch. Der Aspekt der damaligen Erziehung. Aber auch der Grundgedanke des Selbstschutzes zur Zeit des Krieges. Ich finde einiges zu pauschalisiert. Aber ich finde auch das die Autorin in einigen Dingen sehr selbstverliebt klingt, wenn sie zig mal in einem Kapitel auf ihre eigenen Bücher verweist.
Ich bin jetzt knapp in der Mitte des Buches und habe das Gefühl, dass es nicht besser wird
Ich bin zwar erst im 2. Kapitel, verstehe aber was Du meinst. Ich kann es noch nicht genau begründen, aber irgendetwas an dem Schreibstil der Autorin stört mich. Manchmal ist mir ihre Sprache zu unsachlich, vieles hätte ich gerne differenzierter analysiert, und bei vielem wundere ich mich, wie wenig Vorwissen sie voraussetzt.
Wenn du weiterliest, wird dir noch etwas auffallen. Sobald sie Vergleiche zwischen der ehemaligen DDR und Westdeutschland zieht, finde ich sie nicht mehr so neutral schreibt.
Ja und wie engsichtig alles bei ihr ist. Ich habe auch schon ein Wort das mich sehr nervt und meinen Lesefluss, wenn er denn aufkommt, beeinträchtigt. ‚lautsprecherisch‘ … bitte was will mit diesem unmöglichen Wort sagen?
Ja, dass manches nicht ganz neutral formuliert ist, ist mir auch schon aufgefallen. Auch der Satz „Als müssten sie sich, weil sie sich vermeintlich männlich verhalten haben, auch männlich im Ertragen der Sühnemaßnahme zeigen“ zu den Trümmerfrauen erscheint mir doch recht gewagt interpretiert.
Ja, das gesamte Buch ist eigentlich so Emanzipationsbuch und kein neutraler Blick auf die Frauen in der Nachkriegszeit. Es mag ja auch toll sein, dass sich Ende der 1950iger und in den 1960iger Jahren einiges änderte. Aber das ist doch nicht das eigentliche Thema, welches im Klappentext steht.
Ganz ganz schrecklich finde ich, dass sie den Frauen in der Kiegszeit zu abfällig gegen ist. Einerseits sagt sie, dass Frauen Nachbarn, Verwandte und Fremde selbst ihre Männer und Kinder anzeigten wenn sie nicht in der Partei waren. Andererseits sagt sie nichts zu dem Druck unter dem ALLE standen und das eine eigene Meinung lebensgefährlich war.
Laut meiner Oma gab es einzig die Möglichkeit zum Überleben, wenn Frau vorgab sie mit dem Krieg und somit auch für Hitler war. Und da glaube ich meiner Oma mehr wie der Autorin, denn meine Oma war erstens Zeitzeugin und zweitens hat sie sonst wohl kaum die Flucht überlebt.
Je weiter ich lese, desto mehr schüttele ich den Kopf.
In einem Punkt stimme ich der Autorin zu: Auch bei meinen Oma mütterlicherseits habe ich leider bis zum Schluss eine wirklich kritische Selbstreflexion bezüglich der NS-Zeit vermisst, es wurde immer mit Allgemeinplätzen a la „Wir haben auch gelitten“ oder „wir haben ja von nichts gewusst“ abgetan (sie war bei Kriegsende 17).
Allerdings blickt mir das Buch an vielen Stellen zu sehr von der heutigen emanzipierten Warte auf die Frauen damals. Etwa der Absatz „Der Lohn der Frauen war nicht die Karriere, nicht einmal die gleiche Bezahlung, wenn sie arbeiten gingen, sondern die Würdigung als Überlebenskünstlerinnen. Sie ließen sich davon überzeugen, dass sie beim Einkochen, beim Feilschen auf dem Schwarzmarkt und bei ihren viele km langen Märschen mit schweren Rucksäcken Bedeutendes leisteten.“ Ich glaube nicht, dass meine Oma väterlicherseits Ende der 40er Jahre an ihre Karriere gedacht hat, als sie ihre 3 kleinen Buben irgendwie durch die Nachkriegsjahre bringen musste und die Sorge um das tägliche Brot, Kleidung, Medikamente das bestimmende Thema war. Und ja, die Frauen haben für meine Begriffe durch die aufgezählten Dinge tatsächlich Bedeutendes geleistet - vielleicht mehr, als wenn sie in einem Beruf Karriere gemacht hätten. Meine Oma väterlicherseits (Jg 1912) hatte etwas Unerschütterlich-Zupackendes, das sicher mit den Erfahrungen der beiden Kriege, die sie erlebt hat, zusammenhängt. Sie hat nie lange lamentiert, sondern einfach gemacht.
Das klingt auch für mich befremdlich. Meine Mutter war bei Kriegsende 25 und bis dahin fast 10 Jahre berufstätig gewesen. Auch ihre Schulkameradinnen und Kolleginnen waren vom Typ „gearbeitet wird, solange Arbeit da ist“ oder bis die Ernte eingebracht ist. Sie waren stolz auf das Geschaffte und lebenslang miteinander verbunden. Ich hatte von dem Buch zwar die Leseprobe gelesen, mich aber nicht an der Verlosung beteiligt, weil ich befürchtete, dass diese „normalen Frauen“ nicht darin vorkommen.
genauso wie meine Oma , ebenfalls väterlicherseits, sie hat zwei Kriege erlebt, musste aus Schlesien mit 2 Jungs flüchten und hatte nebenbei auch noch Nachbarkinder dabei. Sie hat immer alles getan ohne sich zu fragen oder von irgendeiner beruflichen Karriere gedacht. Denn dafür keine Zeit, in vielerlei Hinsicht.
Schlimm finde ich auch, dass die Autorin wirklich nur gegen die bösen West-Deutschen Frauen wettert und alles was DDR und Sowjet- Zone war super toll für Frauen.
Auch die Berichte der Frauen allgemein zerreißt sie bis ins unkenntliche.
Mittlerweile warum wollte ich dieses Buch so unbedingt lesen? ABer ich kämpfe mich dadurch.
Ich habe nicht den Eindruck, dass die Autorin die Zustände in der SBZ/DDR schönredet, sie übt hier durchaus deutliche Kritik.
Dass die Berichte der Frauen zusammenfassend und teilweise interpretierend wiedergegeben werden, stört mich auch. Ich erwarte hier genaue Zitate, die anschließend interpretiert werden können. Zudem bezieht sie sich nur auf sehr wenige Frauen und baut dann auf den Aufzeichnungen von ein oder zwei Personen ihre Theorie auf, das ist für mich nicht aussagekräftig genug.
Mich stört, dass sie die Frauen bzw, die gesamte Gesellschaft von der heutigen hohen feministischen Warte aus betrachtet und beurteilt. Und sie liebt offensichtlich die Trend-Begriffe „Selbstermächtigung“ und „Selbstwirksamkeit“. Ihre Analysen wirken sehr oberflächlich auf mich, zudem fehlt mir ein stringender roter Faden. Ihre Aussagen sind oft so banal und einfach formuliert, dass ich mich frage, für wie unwissend sie ihre Leser*innen eigentlich hält. Leider enttäuscht mich dieses Buch ziemlich.
Die Autorin verbiegt für meine Begriffe einige Fakten, um ihre Thesen zu untermauern. Etwa: „Die jungen Frauen müssen die neuen Frauenpflichten, die das NS-Regime verordnet - wie den Reichsarbeitsdienst, den Sanitätsdienst oder Haushaltsausbildungen - in ihre Laufbahn einbauen.“. Hier verschweigt sie, dass der Reichsarbeitsdienst für beide Geschlechter galt, für Männer verpflichtend war und für Frauen bis 1939 freiwillig. Das grauenhafte Frauenbild der NS-Zeit steht natürlich für mich außer Frage, ich störe mich lediglich an den Schludrigkeiten im Buch.
Auch das „Lehrerinnenzölibat“ wird im Buch in der Weimarer Republik aufgehoben, und die Autorin verschweigt, dass es 1923 gleich wieder eingeführt wurde und bis 1951 galt, in manchen BaWü noch länger. Erst 1957 wurde es per Gerichtsurteil endgültig abgeschafft. Das weiß ich zufällig, weil ich darüber schon öfter gelesen habe…
Nachtrag. In einem späteren Kapitel erwähnt die Autorin die Abschaffung des Lehrerinnenzölibats 1951 bzw. 1956 (BaWü). Alllerdings fehlt der Vermerk der vorherigen Wiedereinführung 1923.
Du hast völlig recht. Irritierend empfinde ich das sie ab etwas mehr wie der Mitte plötzlich hauptsächlich in den 1950igern und 1960igern hauptsächlich über Frauen spricht, die allgemein aus der Politik bekannt sind. Nun könnte man sagen, dass diese Frauen auch die NS-Zeit erlebt haben und dort nicht ihr Studium weiterführen konnten, nicht ihren eigentlichen Berufswunsch erfüllen konnten, aber es handelt sich dabei nur um höher gestellte Frauen.
Ich bin jetzt kurz vorm Ende und ich finde es sehr schade so meine Zeit verplempert zu haben.