Provokant gefragt: Muten wir in Kinder- und Jugendbüchern unseren Kindern zu wenig zu?

Kurz klang es nach der perfekten Lösung, aber das war es dann nur Lehrerseitig, weil du fiese Klassenkameraden hattest. Menno!

Ganz tolles Thema über das unbedingt gesprochen werden muss. Komme erst jetzt dazu weil mein großes ind Geburtstag hatte :sweat_smile:

Wir haben drei Kids von Teennie (9 Klasse) bis Grundschule und ich finde man soll u kann sie nicht von allem abschirmen was in der Welt passiert und die Schullektüre ist da einfach nicht Zeitgemäß. Ihr habt das ja alles schon schön aufgeführt. :slight_smile:

Deine Sichtweise Simonef ist auch meine, Bewusstseinschaffen, wenn schwierige Themen „zu lesen“ sind , die Kids dabei begleiten, auch mal nachfragen. Zu Hause kann ich ja Einfluß auf ihre Lektüre haben, Und wenn unsere Kids mit „schwierigen“ Fragen (in allen Belangen) kommen dann werden sie ehrlich (dem Alter entsprechend) beantwortet.

Und um die Eingangsfrage zu beantworten: Ja wir muten den Kids zu wenig zu, und wollen sie vorallem beschützen was sie in irgendeiner Form „gefärden“ könnte.
Dabei wird das nie ganz gelingen,es führt nur dazu dass sie nicht in der Lage sein werden klare Entscheidungen zu treffen für die sie auch einstehen können. Das gelingt nur wenn ich möglichst alle Aspekte eines Themas kenne.

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Ach, es war halt so und ich mochte meine Klasse auch vorher schon nicht. Aber es ist echt gut von Seiten der Schule geregelt worden.

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Es gibt da auch eine ganz tolle Folge der Serie „Black Mirror“ zu, wo Eltern alles was das Kind gefährden könnte verschwommen machen können, total gruselig. Am Ende bekommt das Kind einfach gar nichts mehr mit.

Prinzipiell gebe ich Dir recht: Kinder werden heute mehr überwacht/behütet, als wir es selber noch vor etlichen Jahren erlebt bzw.praktiziert haben.
Bücher wie die Titel Gudrun Pausewangs schrecken Eltern von heute eher ab - dafür allerdings können Kinder+Teens leider -oft unbegleitet- Videos und Bilder im Netz schauen,
die sicherlich dito Ängste schüren und mit denen sie nicht alleine gelassen werden sollten.
Also dürften wir eigentlich Bücher und Filme zu Themen wie (Atom-) krieg/kraft, Kriege -sei es Ukraine, Gaza etc.-, Vertreibung, Flucht + Asylsuchende nicht aussortieren, sondern mit ihnen gemeinsam anschauen und lesen -
was allerdings voraussetzt, das wir uns auch selber damit konfrontieren+auseinandersetzen…
Und da liegt wahrscheinlich die Krux - viele Eltern sind heutzutage so überlastet mit Beruf, Familie und den Anforderungen, die sie an sich selber stellen, das derartiges verdrängt wird und es ja zugegebenermaßen ja auch Zeit+Energie kostet!

Ich fand die gelben Reclam Hefte ätzend. Habe mich durch gequält. Erinnere mich nur noch an Maria Stuart.
Meine Mutter hatte selbst ne Menge von denen, aber die habe ich sie nie angerührt.

Ich fand die meisten Schullektüren eher langweilig, und es hat mich gestört, dass wirklich jeder Satz aufgedröselt wurde, weil der oder die Autor:in ja in jedem Wort eine versteckte Botschaft mit reingebastelt hat. :sweat_smile: Das einzige Buch, das mir sehr gefallen hat, war „Tanz auf meinem Grab“ von Aidan Chambers, das wir in der 8. oder 9. Klasse gelesen haben. In dieser Zeit habe ich auch, durch ein Deutschreferat, meine Liebe zu Kafka entdeckt, obwohl wir von ihm nie was gelesen haben.
Ganz schlimm fand ich in der 5. oder 6. Klasse „Die Kinderkarawane“. Da gab es eine Szene, in der eine der Schwestern so erschöpft war, dass sie ein kleineres Geschwisterkind nicht tragen konnte oder wollte - und die dann „zur Strafe“ vom älteren Bruder so schlimm verprügelt wurde, bis sie „darum bettelte, das Kind tragen zu dürfen“. Das geht mir bis heute nicht aus dem Kopf, vor allem seit ich mich mehr mit patriarchalen Strukturen bzw. Schäden dadurch beschäftige.

In der FOS kamen dann extrem dröge und verstaubte Geschichten wie „Die Judenbuche“ und „Andorra“ daher, und ich habe Bernhard Schlink mit „Der Vorleser“ kennen und abgrundtief hassen gelernt.

Ich bin der Meinung, wenn man Kinder und Jugendliche zum Lesen animieren möchte, sollte man die Themen der Schullektüren ein bisschen streuen; die Geschmäcker sind ja auch verschieden.

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ja, dieses Gefühl haben einem die Deutschlehrer vermittelt, und ich finde das total übertrieben und glaube auch, dass es falsch ist. Ich vermute, die meisten Autor:innen würden sehr erstaunt sein, wenn sie in einer Deutschstunde hospitieren könnten und erfahren würden, was sie sich angeblich alles bei ihrem Roman oder Gedicht gedacht haben. Noch lustiger wäre, wenn sie ihr Werk selbst schriftlich interpretieren müssten und man es Deutschlehrern als Schüleraufsatz zur Benotung unterjubeln würde. Vielleicht würden einige dabei gar nicht gut abschneiden :rofl:

Rückblickend habe ich von meinem Schullektüren ziemlich viel mitgenommen, meine Liebe zu Friedrich Dürrenmatt und George Orwell rührt aus dieser Zeit, ebenso für Camus’ „Die Pest“ (hat mir ein Lehrer bei einer Wanderung auf Klassenfahrt empfohlen und meinte, das würde zu mir passen. Was auch immer das heißen sollte, mit dem Buch hat er ins Schwarze getroffen). Auch an Ingeborg Drewitz und „Gestern war heute“ habe ich sehr gute Erinnerungen, leider ist das Buch heute nicht mehr neu erhältlich, sonst hätte ich es mir gekauft und noch einmal gelesen. Unsere Lehrer haben rückblickend schon einen recht vielfältigen Bereich abgedeckt.

Hahaa! Wahrscheinlich stünde da dann sowas wie „Du hast die Geschichte nicht verstanden - 6!!“ :rofl: :grin:

Stimmt, Dürrenmatt habe ich damals auch kennengelernt und mochte „Der Richter und sein Henker“ (das war doch von ihm, oder?) Meine Englischlehrerin hat mir auch immer mal wieder Bücher ausgeliehen, weil sie wusste, dass ich so gern gelesen habe. So habe ich auch „Der Report der Magd“ kennengelernt. Das fand ich auch so schrecklich! Nicht das Buch an sich - das habe ich an zwei Nachmittagen durchgesuchtet, aber diese ganze Geschichte war so schlimm, weil in vielen Teilen so real… :expressionless:

Ja,genau, das mag ich sehr, ebenso den zweiten Kommissar-Bärlach-Roman „Der Verdacht“ und auch „Das Versprechen“. Und die Dramen, ach eigentlich alles :grin:

Die Wolke haben wir auch gelesen, das wurde durch ein Lesetagebuch begleitet, man hat sich also nochmal ganz intensiv auf einer persönlichen Ebene mit dem Thema auseinander gesetzt.

Bei „Das Versprechen“ gab es auch ein Lesetagebuch, aber da war es dem Lehrer damals wichtiger, zu diskutieren, was es bedeutet, dass an einer Stelle Kartoffeln (statt irgendetwas anderem) gegessen werden, als dass er mit uns aufarbeitet, was dort in der Handlung eigentlich passiert.

Ich finde, es kommt wirklich darauf an, wie die Lehrer*innen die Themen aufarbeiten und begleiten. Wenn von der Seite außer Interpretation nichts kommt, ist es vielleicht sogar besser, die richtig harten Themen zu lassen und von Elternseite aus etwas zu machen.
WENN allerdings darüber gesprochen wird, Ängste ernst genommen werden und die SuS damit nicht allein gelassen werden, fände ich es durchaus wichtig, eben auch Bücher zu lesen, die schwere Thematiken, Leid, Verlust, Zukunftsängste behandeln.

Kartoffeln? Was sich Dürrenmatt dabei wohl gedacht hat :rofl: Vielleicht hat er die einfach gerne gemocht, zumal Dürrenmatt ja als ein unmäßiger und zügelloser Esser bekannt war, das zieht sich auch durch seine Romane, oder die Figuren müssen halt irgendwas essen, aber das wäre ja zu einfach. Vielleicht eher Kartoffeln = Erdäpfel, Äpfel - Adam und Eva, Schlange, Versuchung… :thinking: Nein, Spaß beiseite.

Sehe ich auch so, und den Lehrer:innen kommt dabei eine entscheidende Rolle zu. Die harten Lese-Themen aufs Private zu begrenzen, finde ich nicht ausreichend, da dann wieder viel zu viel vom Elternhaus abhängt als in D beim Thema Bildung sowieso schon.

Soweit ich mich erinnere sollte es den Stand der Familie symbolisieren, Kartoffeln als Arbeiteressen oder sowas.

Und ja, in der Theorie sollte sowas in der Schule besprochen werden, weil es genug Elternhäuser gibt, wo eine entsprechende Auseinandersetzung nicht stattfinden würde.
Aber dann eben richtig und nicht nur oberflächlich oder auf „was will der Autor uns sagen“-Ebene, sondern eben auch auf der Emotionalen.

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Genau! Letztere kam bei uns im Unterricht überhaupt nicht vor, und ich habe damals Bücher vor allem auf der Analyse-Ebene wahrgenommen. Ich bin ganz automatisch immer von der „Was will der Autor uns damit sagen“-Ebene an Texte rangegangen, weil man das in der Schule so trainiert hatte. Mit Theaterstücken ging es mir lange genauso, das war quasi Deutschunterricht, nur eben live auf der Bühne. Erst als ich mal ein Interview mit einem Schauspieler gelesen habe, der von Fühlen und der emotionalen Wahrnehmung beim Theater sprach, ist mir das aufgefallen, und ich dachte: Moment, Theater und Fühlen? Das hab ich so noch nie richtig zusammengebracht, sondern mich immer nur verkopft aufs Entschlüsseln konzentriert.

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Ha - Deine Interpreation hätte meinem Kunstlehrer gefallen :rofl: :rofl:

Die haben wir auch als Schullektüre gelesen.

Ah ja. Wer kennt sie nicht, die ganzen Akademikerhaushalte, bei denen niemals Kartoffeln auf den Tisch kommen, weil sie nicht standesgemäß sind.

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Generell finde ich es ganz gut, wenn im Unterricht Werke interpretiert werden. Man lernt dadurch Bücher tiefer zu verstehen. Aber auch ich finde, dass schwierigere Literatur entsprechend vom Lehrer begleitet werden sollte. Durch meine Kinder fällt mir aber auch auf, dass sich die Auswahl der Bücher deutlich gewandelt hat, diese zeitgemäßer als früher sind und den Schüler mehr Mitsprache eingeräumt wird.

Was ich dagegen kritischer sehe, ist die Bewertung und Benotung von Schüler-Interpretationen. Liegt es nicht im Charakter einer Interpretation, dass Vermutungen aufgestellt werden? Wie kann da eine anders lautende Ansicht als ‚falsch‘ oder ‚schlecht‘ abgetan werden?

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Das hängt vermutlich vom Horizont der Lehrkraft ab. Vor kurzem habe ich einen Test zu einer Kurzgeschichte gesehen, der (in Deutsch!) praktisch nur abfragte, welche Güter die Menschen besaßen und wie weit die technische Entwicklung fortgeschritten war. Mit dem Ergebnis, dass sie technisch rückständig waren, gab es maximale Punktzahl. Kein Thema war allerdings der Umgangston zwischen Mann, Frau und Kind und was er über die menschlichen Beziehungen aussagte. Ich wäre vermutlich ganz durchgefallen mit der Antwort: der Vater behandelt die Mutter wie eine Sklavin …

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Weiter oben hat @immenhof den Roman „Agnes“ von Peter Stamm erwähnt. Da ich ihn nicht kannte, habe ich dazu bei Wikipedia nachgelesen, und sehr interessant fand ich was Peter Stamm selbst zu Interpretationen sagt. Vielleicht sollte sich das manche:r Lehrer:in mal durchlesen:

Peter Stamm lehnt es ab, Interpretationshilfen zu liefern:

„Zur Interpretation von «Agnes» kann und will ich mich nicht äußern. Sie ist nicht Aufgabe des Autors. (…) Ich denke, das beste Verständnis liefert eine genaue und unvoreingenommene Lektüre des Textes. Er bietet viele Interpretationsmöglichkeiten, keine davon ist richtig, falsch sind allenfalls jene, die an den Haaren herbeigezogen oder schlecht begründet sind oder die für sich in Anspruch nehmen, die einzig richtigen zu sein. Es gibt für das Buch keine Lösung wie für ein Kreuzworträtsel. Nicht einmal die Frage, ob Agnes am Ende des Buches tot ist oder lebt, lässt sich eindeutig beantworten. Weder von mir noch von Ihnen. Das soll Sie nicht daran hindern, darüber nachzudenken.

In jeder Interpretation steckt viel vom Interpretierenden. Es liegt auf der Hand, dass Männer ein Buch anders lesen als Frauen, Sechzehnjährige anders als Sechzigjährige. Schön wäre es, wenn diese unterschiedlichen Lesarten zu konstruktiven Diskussionen führen, die weit über die Geschichte von «Agnes» hinausführen“.

Schöner kann man es eigentlich nicht ausdrücken.

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Ich bin der Meinung, dass Kinder zunächst einmal lesen dürfen, was altersgerecht ist und was sie mögen. Wichtig ist, dass man sie an Bücher heranführt, damit sie mit diesem Medium umgehen können und die Bücher und ihre Vielfalt entdecken. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass die Erwachsenen bei Bedarf helfen, dass Kinder die Buchinhalte verstehen. Aber auch von den Schulen erwarte ich, dass mehr Zeit für das „Bücherlesen“ getan wird. Und zwar in Form eines physischen Buches und nicht als Datei oder E-BOOK. Vielleicht etwas altmodisch in der heutigen Zeit, aber aus meiner Sicht wichtig.
Was die „Unterforderung“ angeht, denke ich, dass es wichtig ist, dass ein Kind mit der angebotenen Bücherwelt wächst und das liest, was das Kind will.

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