Interview mit Illustratorin Astrid Henn

Die in Hamburg lebende Illustratorin Astrid Henn schuf die Bilder für unseren aktuellen Vorablesen-Titel"Lukas und die Meckerschweinchen". Wir sprachen mit der Künstlerin darüber, wie sie arbeitet, was ein gutes Kinderbuch ausmacht und wie man Illustratorin wird.

Übst du deinen Traumberuf aus?

Astrid Henn: "Ja, auf jeden Fall!!! Ich kann mir für mich keine schönere Arbeit vorstellen. Auch wenn ich, wie in allen Berufen, Projekte mache, die ich nicht soooo suuuuper finde, mache ich doch meistens genau das, was mir Spaß macht. Stressig wird es natürlich auch mal, weil man nie wirklich so genau sagen kann, wie viel Zeit ein Projekt beansprucht. Es hängt ja nicht nur von mir, sondern auch von Lektorinnen und Redakteurinnen ab. Manchmal hat man den gleichen Blick auf Dinge und manchmal kommt man von unterschiedlichen Seiten und muss sich irgendwie in der Mitte treffen. "

Wie bist du zum Illustrieren gekommen?

Astrid Henn: „Ich habe immer schon gezeichnet und wollte Kinderbuchillustratorin werden. Nach dem Abi ging ich dann zur Berufsberatung (damals gab’s ja kein Internet), um zu sehen, wie ich das werden könnte. Da sagte man mir, den Beruf gibt’s gar nicht, aber ich könnte ja mal Visuelle Kommunikation studieren. Das hab ich dann gemacht. Allerdings mit Schwerpunkt auf Malerei, Zeichnung, Akt, Landschaft, Raum, Collage und auch ein bisschen Fotografie. Danach bin ich erst mal in der Werbung gelandet, weil ich das Angebot einer Hamburger Agentur hatte und Geld verdienen musste. Hier hab ich dann kaum noch gezeichnet/gemalt, nur ab und zu, wenn es sich mal ergeben hat. Nach einer Kinderpause war es dann endlich soweit, dass ich endlich das gemacht habe, was ich ursprünglich immer wollte, Illustration mit Schwerpunkt Kinderbuch.“

Wie arbeitest du genau, welche Techniken und Materialien nutzt du?

Astrid Henn: „Ich nutze im Grunde alles, was mir in die Finger kommt - je nach Sujet. Aquarell, Aquarellstifte, Buntstift, Acryl, Pinselstifte und Bleistift zum Zeichnen und dann natürlich für das Finish auch den Rechner/das Tablet.“

Welche künstlerischen Vorbilder hast du?

Astrid Henn: „Ich bin ein Fan der Skandinavier und mag sehr, dass sie thematisch so nah am Kind sind, weniger manieriert und artifiziell, schlichter, was den Look angeht. Auf jeden Fall empfinde ich das ganz subjektiv so. Und ich mag sehr, wenn man noch was vom Strich, vom Duktus sieht. Eva Eriksson, Pija Lindenbaum, Eva Eriksson, Barbara Scholz, Kerstin Meyer, sozusagen die Klassiker, auch Tanja Stephani und Daniel Napp, also die ‚Handwerker‘ unter den Künstlern;))“

Wie bzw. wann hast du deinen eigenen Stil entwickelt oder illustrierst du unterschiedliche Bücher auch unterschiedlich?

Astrid Henn: „Das mit dem Stil ist so eine Sache. Ich denke, jeder hat von Anfang an die eigene und unverwechselbare Handschrift, das kann man eigentlich nicht lernen. Aber man entwickelt im Laufe der Zeit individuelle Lösungen. Also z.B. die Art und Weise, wie man Figuren zeichnet oder wie man mit Farben umgeht. Und bei mir hängt der ‚Look‘ stark von der Tonalität des Textes ab. ‚Der Riese Knurr‘ ist z.B. wilder als die ‚Internetoma‘ und in diesem Fall ist auch die Technik unterschiedlich.“

Wie sieht der kreative Prozess konkret aus? Wie entstehen Figuren und Szenen? Wie viel Freiraum hast du als Illustratorin oder sind die Vorgaben des Verlages meist sehr konkret? Wie lange dauert es, von der ersten Skizze zum fertigen Buch?

Astrid Henn: "Eigentlich male ich immer das, was ich gut und passend finde. Die Verlage wählen mich ja aus, weil sie meine Bilder grundsätzlich mögen. Dass es dann hin und wieder noch ‚Ehrenrunden‘ gibt, liegt daran, dass eben auch andere, z.B. Vertriebsleute mit entscheiden wollen.
Zu meiner Arbeitsweise: Ich fange bei allen Büchern eigentlich gleich an. Zuerst mach ich ganz grobe Skizzen (… wie wohl die meisten IllustratorInnen) und dann arbeite ich mit Butterbrottransparentpapier und zeichne noch mal ‚ordentlich‘ nach. Das ist dann die Basis für alles Weitere. Und bei ‚Lukas un die Meckerschweinchen‘ arbeitete ich dann mit dem Brushpen weiter. Das sieht schön schwungvoll und locker aus. Dann ging es - anders, als bei anderen Projekten - gleich zum Einscannen und ans Tablet. Denn bei ‚Lukas‘ wird in 2 Farbkanälen gearbeitet, da das Buch nur zweifarbig gedruckt wurde. Ich arbeite dann mit dem Tabletstift, wie mit einem Pinsel die Farbigkeit aus.

Welche Themen in Kinderbüchern sprechen dich besonders an?

Astrid Henn: "Ich mag fast alles, es sollte nur keinen belehrenden Unterton haben. Also keine Texte, bei denen am Ende klar ist, dies und jenes sollst du jetzt kapiert haben - Moral klar, Ende! Lieber ist mir, wenn es einfache kleine oder große Geschichten sind, die VorleserIn und ZuhörerIn gut unterhalten. Genau wie bei Romanen für Erwachsene auch.
Ich hab mich zum Beispiel sehr gefreut, „Lukas und die Meckerschweinchen“ von Joachim Friedrich zu illustrieren, weil er für mein Empfinden wunderbar schreibt, eine wirklich schöne Sprache hat, ohne dabei die junge Leserschaft zu überfordern. Die Charaktere sind echt und lebendig, der Plot sehr wendungs- und abwechslungsreich, spannend, aber auch voller Wortwitz. Und die Meerschweinchen Dialoge sind einfach grandios!!! Ich hab mich beim Lesen weggeschmissen :)) Und es ist einfach viel schöner, einen Text zu illustrieren, wenn er so besonders ist.

Wie viele Bücher hast du schon illustriert?

Astrid Henn: ca. 50 (… wenn man die Pixis mitrechnet ;))

Hast du eine Lieblingsfigur?

Astrid Henn: Auf jeden Fall ‚Emil‘ (… mein erstes selbstgeschriebenes Bilderbuch), ‚Lukas‘, den ‚Manni im Mond‘ und den ‚Ostermann‘ (… in jung und alt :))

Welche Bücher hast du als Kind sehr gern gelesen?

Astrid Henn: ‚Pippi‘ und ‚Michel‘, als ich kleiner war und etwas später dann alles von Enid Blyton!!! Die ‚Abenteuer‘ Bücher finde ich heute noch klasse.

Wir danken Astrid Henn herzlich für das Interview!

Habt ihr noch weitere Fragen? Stellt sie gern hier.

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Ich finde das Interview ja total spannend. Dankeschön an die Autorin, dass sie sich die Zeit genommen hat :slight_smile: .
Mich würde ja interessieren: Was war denn das erste Buch, was die gezeichnet hat? Und: Hat es denn einen Ehrenplatz im Bücherregal erhalten?
Orientiert man sich denn auch später noch an den ersten Büchern oder findet man jetzt beim Durchblättern eher Sachen, die man hätte besser/anders machen können?
Viele Grüße

Ich danke auch Astrid Henn sehr herzlich für das interessante Interview. Ich habe die schönen Illustrationen in der Leseprobe " Lukas und die Meckerschweinchen " sehr bewundert. Die Bilder gefallen mir, und ich bin erwachsen, richtig gut. Wie werden da erst die Kinder begeistert sein. Einfach toll!
Mich würde noch interessieren, wie Astrid Henn die Aufträge erhält. Wird sie von den jeweiligen Autoren der Bücher angesprochen, oder liegt der Auftrag in den Händen der Verlage?
Vielen Dank!

Hallo grizzlybaerchen, meine ersten ‘Bücher’ waren im Grunde genommen kleine Hefte zum Lesetraining in der 1. Klasse, die der ARENA Verlag herausgegeben hat. Da ging es noch nicht um eine durchgängige Geschichte, sondern um kleine Aufgaben, Rätsel, Labyrinthe für die LeserInnen. Das war eine gute Übung, um den Einstieg ins Sujet zu finden und ich habe dabei viel gelernt. Aber einen Ehrenplatz haben sie sicher nicht im Regal :joy:

Hallo Leseratte5853, meistens sprechen mich Lektorinnen an, mit denen ich schon länger arbeite, oder die meine Bilder grundsätzlich mögen. Und im nächsten Schritt schaue ich dann, ob mir der zu illustrierende Text gefällt. Manchmal sprechen mich aber auch AutorInnen direkt an.

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Vielen Dank für die schnelle Antwort, meine Neugierde ist nun gestillt! Herzliche Grüße und Ihnen alles erdenklich Gute!

Danke für diese informative Antwort.
Ich dachte bis jetzt immer, dass die Verlage die IllustratorInnen auswählen…

Hatte ich bis jetzt auch immer gedacht. Wieder was gelernt :wink:

Noch ein kleiner Nachtrag: Wenn man beides macht, also Illustrator und Autor ist, dann kann man natürlich auch selbst auf Verlage zugehen. So habe ich gerade zwei eigene Projekte veröffentlicht, bei Ravensburger ‘Emil im Schnee’, ein klassisches Bilderbuch und bei Carlsen ‘Mein Haus hat eine rote Tür’, eine Pappe.
Lieben Gruß in die Runde :))

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Vielen Dank für dieses Interview, das Lesen hat mir Spaß gemacht.

Merci! Das freut mich :))

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