Abschnitt 3: Leserunde zu "Milchmann"

Irgendwie habe ich mir eingebildet, dass die kleinen Schwestern nicht gleich alt sind, ich denke mal es ist eher die typische unpersönliche Erzählweise, durch die sie so zusammen gefasst werden.

Das dachte ich anfangs auch und wahrscheinlich ist es auch so. Aber dass sie, obwohl sie unterschiedlich alt sind, über die gleichen hochintellektuellen Themen sprechen und alle gleich hochbegabt sind, erschien mir komisch, bzw. begann ich da an Drillinge zu denken, zudem die älteren Schwestern ja auch nicht über einen Kamm geschert werden… aber wer weiss…:slight_smile:

Das finde ich sehr interessant, denn gerade die Stelle mit dem Sonnenuntergang konnte ich trotz mehrmaligen Lesens einfach nicht “fassen” und die von dir angesprochene “Übersetzung” ist mir ebenfalls entgangen. :open_mouth:

Der Einstieg in dieses (lange) Kapitel fiel mir also recht schwer, doch zum Glück wurde es besser.

Ich mag den Schreibstil immer noch sehr und ich habe schon lange kein Buch mehr so intensiv gelesen. Anders geht es auch nicht, sonst könnte ich den ausführlichen Gedankengängen überhaupt nicht folgen. Und jedes Mal, wenn ich denke ich habe mich verlaufen, kommt die Autorin wieder zum ursprünglichen Gedanken zurück und der Kreis schließt sich.

Dass Kleine Schwestern so “zusammengefasst” werden empfinde ich ebenfalls als etwas seltsam und auch dass sie alle drei offensichtlich sehr begabt sind. Ob man sich mit 6, 7 und 8 Jahren wirklich schon so für Politik und Zeitunglesen interessiert? Aber vielleicht ist das ja auch den Bedingungen geschuldet, unter denen sie aufwachsen.

Mir gefällt die Erzählerin immer besser, ich denke, sie hat das Zeug dazu so zu sein oder zu werden, wie sie es bei echter Milchmann bewundert (der hoffentlich der freundliche Mann bleibt, der er zumindest im diesem dritten Kapitel war).

Ich muss zugeben, dass es mich langsam stört, dass eigentlich bisher nicht wirklich was passiert ist. Reduziert man das Buch auf die tatsächliche Geschichte (ohne seitenlanges wir und sie), hätte sie gerade Mal zehn Seiten gefüllt. Ich bin wirklich kein Leser, der extreme Spannung braucht (im Gegenteil) oder ein literarisches Werk nicht zu schätzen weiß, aber nur Gesellschaftskritik und Reflektion reichen mir dann doch nicht.
Noch bin ich mit dem Abschnitt nicht ganz durch (habe noch ca 30 Seiten), aber ich finde, bei fast der Hälfte des Buches könnte da schon zumindest Mal ein bisschen was passieren.

Irgendwie ärgert es mich gerade ein wenig, aber ich hoffe ja, dass sich das gibt. :wink:

2 „Gefällt mir“

Tja, ich werde dieses Buch zu Ende lesen, - einfach weil ich das bis jetzt mit jedem Buch von vorablesen getan habe. Aber in Eure Lobgesänge kann ich absolut nicht einstimmen.

Und ich bin mir auch nicht sicher, ob nicht zu viel in ihre Geschichte hineininterpretiert wird.

Anna Burns ist in einem Alter, dass sie die Zustände als 18jährige in Belfast ähnlich erlebt hat, wie sie hier geschildert sind. Nicht totalitäre Staaten schlechthin, sondern eben nur Nordirland.

Für mich ist diese Geschichte sehr verquast, mit viel zu vielen Metaphern, unnötigen und ermüdenden Bandwurmsätzen und wenn ich auch einige Ansätze mag (wie den echten Milchmann) wäre das kein Buch, das ich empfehlen würde. Das Cover ist jedoch immer noch schön und ich habe es nach den Beschreibungen des Himmels in der Französisch-Stunde mit ganz anderen Augen gesehen :wink:

Außerdem ist ein Preis nicht immer ein Zeichen für Güte, sondern gerne auch für Politik. Nordirland ist in Zeiten des Brexits ein möglicher Unruheherd - da kann man die Auszeichnung für ein Buch, welches sich mit der Zeit des Bürgerkriegs befasst auch als Good-Will interpretieren.

1 „Gefällt mir“

Mit diesem Teil der Geschichte hatte ich meine größten Probleme. Ich stimme euch zu, dass es wirklich viel Konzentration erfordert hat das Kapitel zu lesen und wirklich durchzuhalten! Ich finde aber, dass es sich unglaublich lohnt: Nachdem das politische Geschehen weitestgehend umrissen ist, geht es ja wieder mit unserer Protagonistin weiter – ihre Gefühlswelt ist für mich der Schlüssel zum ganzen Buch und mit Abstand das Interessanteste! Wer sich also gerade nach “aufgeben” fühlt, dem möchte ich Mut machen: haltet durch, es lohnt sich! :slight_smile:

1 „Gefällt mir“

Außerdem ist ein Preis nicht immer ein Zeichen für Güte, sondern gerne auch für Politik. Nordirland ist in Zeiten des Brexits ein möglicher Unruheherd - da kann man die Auszeichnung für ein Buch, welches sich mit der Zeit des Bürgerkriegs befasst auch als Good-Will interpretieren.

Es ist natürlich nicht grundlegend von der Hand zu weisen, dass es eine Korrelation geben könnte. Der Preis wurde jedoch bereits in 2018 vergeben und zu diesem Zeitpunkt war das Thema noch nicht ganz so präsent, wie es vielleicht in jüngster Zeit erscheint. :slight_smile:

Ich möchte daher lieber daran glauben, dass das Buch eine Auszeichnung erhalten hat, weil es so besonders ist! :slight_smile: Wenn ich mir erleben darf etwas auszuholen: vor wenigen Wochen hat Mareike Fallwickl auf Instagram gepostet, dass sie tieftraurig ist, weil sie das Gefühl hat, dass sie nach Jahren des Lesens alles in irgendeiner Form schon einmal gelesen hat und jede Geschichte nur eine Abhandlung einer bereits veröffentlichten wäre. Natürlich ist das ein sehr subjektives Gefühl, jedoch musste ich beim Lesen von „Milchmann“ genau daran zurückdenken. Weil die Geschichte so anders und neu ist und die Erzählform so heraussticht. :sunny:

Ich selbst musste mich natürlich auch an den Stil gewöhnen und einlesen und es gab Momente, da habe ich wirklich geflucht – ob der vielen Namen und verschachtelten Sätze. Aber dann habe ich mir auch vor Augen geführt, dass mir hier eine 18-jährige aus ihrem Leben erzählt, dass durch Mord und Terror so negativ geprägt ist, dass ich dieses Sperrige, Verschachtelte, das Bedürfnis nach Erklärung auch nachempfinden konnte. :slight_smile:

Vielleicht stimmt mir ja auch jemand von euch zu. Bin sehr über den weiteren Austausch gespannt! <3

Aber so etwas von weitgehend… weiter geht es fast nicht mehr :wink:

Da musste ich jetzt gerade grinsen, - Du passt Dich schön Frau Burns an

Ja, neu ist es, anders auch, wie z.B. der Monokini von Sacha Cohen damals. Fand ich trotzdem furchtbar…

Versteh mich jetzt nicht falsch. Ich finde schön, dass Du geantwortet hast, - das ist ja der Sinn von Leserunden. Und eine andere Meinung als meine lasse ich gerne gelten. Schließlich lebt Literatur - wie Musik - von der Vielfalt.

… aber ich persönlich hätte auf diese Art von Literatur gut verzichten können…

Nun ja, aber warum hast du dich denn dann für das Buch beworben? :smiley:

Ich bin auch ganz bei dir: niemand muss alles mögen und grundsätzlich kann ein Buch niemals jeden Geschmack bedienen! Ich glaube, wenn ich es so wenig gemocht hätte, dann hätte ich es einfach abgebrochen. :wink:

Weil mir die Leseprobe gefallen hat. Da wurde noch nicht so deutlich, dass der Text so ist, wie er eben ist. Das Thema Stalking hat mir gefallen, ich dachte, das etwas passiert. Aber hier passiert nichts außer wirres Herumgerede seitens der Protagonistin und ihrer kompletten Umgebung.
Meine Kirchengemeinde hatte einen regen Austausch mit Nordirland (ja, wir waren eine mit einem sehr politischen Pfarrer) und dadurch kam ich mit jungen Nordiren in Kontakt. Aber keiner von denen war so verpeilt, wie hier die gesamte Umgebung der Hauptperson dargestellt wird.

Wenn es kein Buch von vorablesen wäre, hätte ich das auch getan. Aber hier überwinde ich die Nackenschmerzen vom Kopfschütteln heroisch, - das bin ich der Site schuldig. Und auch dem Buch. Ich bin der Ansicht, dass man nicht wirklich bewerten kann, wenn man nicht bis zum Ende gelesen hat. Manchmal reißt ein Schluss noch die Hälfte wieder raus. Und ich habe noch 100 Seiten vor mir…

Schade, wenn dich das Buch, trotz der guten Leseprobe enttäuscht hat! :frowning:

Und ja, ich stimme dir sogar zu: ich finde die Personen auch unglaublich verpeilt und verschroben, aber ich glaube eben auch, dass einem die Welt genau so vorkommen kann, wenn man gerade erst 18 Jahre alt ist. Dieses trockene Beschreiben und teilweise Fehleinschätzen der Situation hat – nach dem Einlesen – irgendwie auch den Charm der Protagonistin für mich ausgemacht. :slight_smile:

Ich habe bei ihm ein schlechtes Gefühl. Er wirkt zwar wie ein Unschuldslamm, ich habe aber trotzdem das Gefühl, dass auch er übergriffig werden könnte, nachdem er sich das Vertrauen der Erzählerin erschlichen hat. Er kommt mir komisch vor.

Das stimmt, der Text ist sehr anstregend zu lesen und man kann ihn nicht einfach in einem Rutsch durchlesen, weil er viel Anstrengung benötigt. Nach dem zweiten Abschnitt dachte ich mir, ich höre auf, weil es mir einfach keinen Spaß machte, aber der dritte Abschnitt hat mich doch wieder mehr mit dem Buch „versöhnt“. :slightly_smiling_face:

Ich bin jetzt auch mit dem dritten Abschnitt durch und muss sagen, dass er mich wieder ein bisschen mit dem Roman versöhnt hat. Den Schreibstil finde ich noch immer sehr anstrengend und er benötigt viel Konzentration, aber die Handlung nahm hier meiner Meinung nach wieder mehr Fahrt auf mit den verschiedenen Szenen. So hat mir der Französischunterricht mit der unkonventionellen Lehrerin, der Gang durch die Zehnminutengegend und der Abschnitt über die Depressionen der Erzählerin und des Vaters sehr gut gefallen.

Die detaillierte Schilderung des Hundesmordes und der Abschnitt mit dem abgetrennten Katzenkopf hätten wirklich nicht sein müssen. Ich verstehe ja, dass die Autorin das erwähnen wollte, wie brutal mit den Tieren umgegangen wurde, aber diese Bilder verfolgen mich noch einen Tag nach dem Lesen.

Die Begegnung mit dem unechten Milchmann und den 4 Männern bei den Kirchen fand ich sehr gruselig und seltsam. Irgendwie dachte ich mir, dass sich die Erzählerin den Milchmann eventuell nur einbildet, aber dann müsste sie sich die ganzen Konversationen, die sie mit anderen über ihn hat, auch ausdenken. Bin mal gespannt, wie sich das weiterentwickelt.

Ich muss zugeben, ich war zwischendurch kurz davor das Buch abzubrechen. Nur die Tatsache, dass ich eine Rezension dazu verfassen muss/darf und diese Leserunde hielten mich davon ab.
Aktuell (nach Beenden des 3. Kapitels) finde ich wieder Gefallen an der Geschichte und bin ganz froh, nicht aufgegeben zu haben. Ich erkenne absolut die positiven Seiten des Romans und kann den Hype bis zu einem gewissen Punkt nachvollziehen. Die Sprache ist toll und die politisch aufgeladene Atmosphäre wird dadurch sehr eindringlich rübergebracht.
Mein größtes Problem mit der Geschichte ist, dass ich keinerlei Bezug zum Nordirlandkonflikt habe und mich die wiederholten Ausführungen zu den politischen Umständen einfach langweilen (z.B. die lange Beschreibung der Verweigerer).
Mich würde viel mehr die Handlung an sich interessieren, die aber nach wie vor eher schleppend voranschreitet.
Was mir durchaus gefällt: Kommentare dazu, wie es ist, als Frau dort zu leben. Eine eindringliche Szene war für mich, als die Mutter der Erzählerin dieser die Schuld gibt, dass der Milchmann ihr nachstellt, jedoch andererseits damit einverstanden wäre, wenn ihre Tochter ihn heiraten würde.
Aufgefallen sind mir außerdem das wiederholte Knipsen der versteckten Kameras (verstärkt das beklemmende Gefühl, immer unter Beobachtung zu stehen), die Todesfälle innerhalb der Familie McIrgendwas und die Intelligenz der drei kleinen Schwestern.

1 „Gefällt mir“

Ich finde es nicht so unangenehm zu lesen, weil mich der Erzählstil in einen Sog zieht. Wie ich schon mal erwähnt habe, empfinde ich die langen Kapitel, die fehlenden Namen und den Gedankenstrom als atemlos. Jemand schrieb, dass ihm schwindelig beim Lesen würde. - Das trifft es sehr gut.

Dafür lese ich auch nicht so genau, verharre nicht so lange bei den einzelnen Sätzen und Gedanken, sondern lasse mich von Erzählweise und -tempo mitreißen.

Das ist ein bisschen wie bei fremdsprachigen Büchern, bei denen man nicht jedes Wort nachschlägt, sondern einfach weiter liest.

Ich glaube, das kann tatsächlich den Zugang zu diesem Buch vereinfachen (oder auch erst ermöglichen), wenn man sich ein wenig von der Genauigkeit löst, weniger verkopft an die Geschichte herangeht und sich von ihr tragen lässt. Diese Geschichte kann das nämlich.

Auch kann man den Gedanken an die wahren Begebenheiten, die dem Buch zugrunde liegen, einfach mal beiseite schieben. Und auch den verteufelten Preis, den es gewonnen hat, kurz vergessen (der macht nur nervös ;-)). Die Geschichte funktioniert auch alleine; werkimmanent interpretiert.

Dann kriegt man auch die beklemmende Atmosphäre mit; die Gefahr, die schon darin liegt, sich auf Sichtweisen und Gedanken einzulassen, die geringfügig von der Norm abweichen. (Der Himmel ist blau.)

Mit der Protagonistin werde ich nicht warm. Die ältere, erzählende Version von ihr ist in Ordnung. Aber die junge Frau in der Geschichte ist mir unsympathisch. :wink:

2 „Gefällt mir“

Absolut. So etwas finde ich auch unnötig und krieg es nicht mehr aus dem Kopf.

2 „Gefällt mir“

Inzwischen habe ich mich ja nun schon die unterschiedlichsten Meinungen zu diesem Buch gehört und ich muss sagen, ich finde es wirklich interessant. Ich habe mich auch inwzischen an die neutrale Namensgebung gewöhnt. Jetzt bin ich ja nun im dritten Kapitel angekommen und war gestern Abend so schön im Bett, ein wenig geschockt. Die Episode mit den Hunden. Als Tierfreund standen mir alle Haare zu Berge. Ich habe noch nicht weitergelesen, aber wenn das nicht später noch einen tieferen Grund hat, für die Geschichte…aber so bleibt man eben auch dran…

1 „Gefällt mir“

sehe ich genau so wie ihr, da habe ich meinen Kater erst einmal fest in den Arm genommen!