Diesen Abschnitt fand ich einfacher zu lesen als die ersten Kapitel des Buches. Die Gedanken der Protagonistin drehen sich nicht mehr nur im Kreis sondern es geht einigermaßen chronologisch geordnet vorwärts. Dass jemand wie Tablettenmädchen einfach herumlaufen und Leute vergiften kann, zeigt eine Abgestumpftheit der Gesellschaft. Auch dass die Frauen lieber mit ihren Hausmittelchen hantieren und beten, anstatt die vergiftete Protagonistin in ein Krankenhaus zu bringen ist unfassbar. Im ganzen Buch werden solche Gegebenheiten, die für den gesunden Menschenverstand unmöglich erscheinen mit einer ruhigen Akzeptanz beschrieben, dass man beim Lesen nur mit dem Kopf schütteln kann.
Die Thematik an sich finde ich sehr gut,nur ihre Umsetzung gefällt mir nicht, insbesondere die ständigen,langatmigen Wiederholungen. Die Vergiftung und der Mord an dem Tablettenmädchen,da kam etwas Fahrt in die Geschichte,einige skurrile Szenen haben mir da gefallen.
Das war ich mit der Vermutung, dass sich die Erzählerin den Milchmann nur einbildet.
Mir kam die Vermutung bei der Szene mit ihm und den vier Männern abends in der Zehnminutengegend zwischen den zerbombten Kirchen. Diese Szene schien mir sehr surreal. Vielleicht hat der Milchmann sie einmal angesprochen und die Leute haben das gesehen und dichten ihr deswegen eine Affäre an. Und sie ist so traumatisiert durch die eine Begegnung mit ihm und die Gerüchte über ihn, sodass sie sich ihn immer wieder einbildet. Denn in den Szenen in denen er erscheint, ist nie jemand direkt dabei (außer die 4 Männner, die mir eben sehr suspekt vorkamen).
Ich habe mittlerweile das Gefühl, dass die Erzählerin sehr viel Erdachtes mit tatsächlich Erlebtem vermischt.
Das Lesen macht mir mittlerweile noch immer keinen großen Spaß. Die Handlung an sich finde ich gar nicht mal mehr so schlecht, wie in Kapitel 2, aber es zieht sich für meinen Geschmack einfach zu lange hin.
“Mein Innenleben, so schien es, war einfach weg.” Der Satz blieb mir im Gedächtnis und in diesem Abschnitt wird deutlich, wie sehr die Erzählerin unter dem Stalking und den Gerüchten leidet. Wie ich schon oben geschrieben habe, glaube ich, dass die Erzählerin mittlerweile wirklich Erlebtes von Einbildung nicht mehr wirklich unterscheiden kann. Ich denke, dass sie sehr traumatisiert durch die gesamten Ereignisse ist und verloren in ihrer Innen- und der bedrohlichen Außenwelt.
Irgendwie erinnert mich das alles an “Shutter Island”, den Psychothriller, der mit Leonardo diCaprio verfilmt wurde und bei dem man am Ende nicht mehr wusste, was Realität und was vom Protagonisten ausgedacht war.
Das habe ich ganz anders empfunden. Seit ihre beste Freundin so harsch mit der Protagonistin gesprochen hat, finde ich dass sie sich aus ihrer Verträumtheit löst und mehr Realität wahr nimmt. Auch der Erzählstil wird gradliniger, die Ereignisse werden in einigermaßen chronologischer Reihenfolge erzählt und nicht mehr verquer wie ihre Gedanken am Anfang gekreist sind.
Bei dem Teil mit der besten Freundin konnte ich einerseits die Enttäuschung nachvollziehen, dass selbst diese kein Verständnis aufbringt, andererseits kam mir die Erzählerin dadurch aber auch naiv vor.
Das Treffen in Kapitel vier mit “ältester besten Freundin” verlief ja nicht ganz so nach Plan und dass es nicht das letzte Treffen der beiden sein sollte, sondern sich bis zum Tod von ältester Freundin hinzieht. Und dann die Geschichte mit Tablettenmädchen, die dann auch tot aufgefunden wird und alle haben den “Milchmann” in Verdacht. Hmmmm. Oder die Szene in der Pommesbude, wo dann alle mehr oder weniger Abstand von ihr nehmen.
So ganz verstehe ich den Zusammenhang des Buches immer noch nicht, wobei ich aber sagen muss, dass die letzten beiden Kapitel sich doch etwas leichter lesen ließen.
Seltsamerweise fand ich diesen Abschnitt weniger “zäh” als die vorangegangenen. Wobei das Buch und ich eindeutig keine Freunde mehr werden.
In diesem Abschnitt hatte ich endlich das Gefühl, dass wir uns mehr der Geschichte um Protagonistin und Milchmann nähern als einfach nur Anekdoten über den furchtbaren Zustand in der Stadt bzw. dem Land erfahren. Bisher hatte ich eher das Gefühl, die Protagonistin ist nur dazu da, um aus direkter Sicht die Zustände zu schildern, die herrschen. Hier ist sie nun endlich (in Bezug auf das Storytelling, nicht, auf ihr Leben *g) mal - zumindest ein bisschen - in die Welt integriert und wir erfahren mehr von ihr als von der Stadt.
Hier fand ich sehr seltsam, dass die Protagonistin die beste Freundin vorher nicht (oder?) erwähnte, sie dann als älteste, beste, nächste Freundin und fast schon Seelenverwandte bezeichnete, dann aber wieder zugab, sie schon lange nicht mehr gesprochen zu haben.
“Denn in den Szenen in denen er erscheint, ist nie jemand direkt dabei (außer die 4 Männner, die mir eben sehr suspekt vorkamen).”
Das kommt mir auch total seltsam vor, er passt sie immer ab, wenn wirklich niemand in der Nähe ist.
Allerdings sprechen alle darüber. Ich dachte schon kurz, ob es zwei verschiedene Milchmänner gibt und die Protagonistin einen anderen meint als der Rest der Gesellschaft (z. b. Vielleicht-Freund).
Ich hatte den Eindruck, dass die Vorstellung der Protagonistin von “bester Freundin” eher auf der Vergangenheit beruht als auf der Gegenwart - ein bisschen Wunschdenken vielleicht.
Ich glaube, wenn man als Typ Mensch eher introvertiert ist und sich eben viel mit sich beschäftigt, kann so etwas passieren. Ich schließe hier einfach von mir auf andere. Ich merke nämlich auch manchmal nicht, wie viel Zeit vergangen ist, seit ich das letzte Mal Sozialkontakte hatte.
Aber mal im ernst: ich habe mich für die Protagonistin im ersten Moment noch total gefreut, weil ich dachte, dass sie dadurch nicht ganz so allein ist, wie es vorher schien… nach dem Kapitel war ich natürlich etwas entzaubert und weit weg von meiner erst so naiven Vorstellung.
Ja. Vielleicht auch ein anknüpfen wollen an bessere Tage/Zeiten. Immerhin ist die Protagonistin zu diesem Zeitpunkt schon sehr durch den Milchmann isoliert worden und sucht ja nach wie vor nach einem Ausweg oder im ersten Schritt wenigstens Verständnis.
Ja, stimmt - mehr über sie und Vielleicht-Freund und die Sicht ihrer Freundin…
Was mir in diesem Kapitel aufgefallen ist: das Übersetzen muss durch die Wiederholungen und Wortschöpfungen ja auch eine ganz besondere Herausforderung gewesen sein… wie hier, S. 336 im ebook: „Und dann waren da ja noch die ganzen Amateurfotografen, die Laiendokumentaristen, die Kalendermomentverewiger unserer unruhigen Zeiten“ . Da müssen einige Wörter ja extra für dieses Buch erfunden worden sein
In der Tat hat das Buch so seine Längen. Dass es dann mit Ältester Freundin endlich wieder spannender wird - das sehe ich auch so und ich glaube das liegt daran, dass hier die Protagonistin endlich einmal aus sich heraus geht. Älteste Freundin bringt auf den Punkt, was ich von Anfang an von der Protagonistin dachte. Warum verhält sich sich nur so arrogant - in dieser Situation, in der sie es sich nicht leisten kann? Es ist sehr spannend, sie mit diesem Vorwurf konfrontiert zu sehen. Sie ist doch klug, sie ist eigenwillig. Sie zerbricht an ihrem Umfeld. Und doch möchte ich sie zwischendurch schütteln und fragen, warum sie sich nur so auffällig benimmt. Und wiederum gleichzeitig kann ich viele ihrer Gefühle nachvollziehen: Das ständige Misstrauen, den Wunsch danach, sich unnahbar zu geben.
Ich finde es spektakulär, was dieser Roman in seinem Leser auszulösen vermag.
Du, @tochteralice, sagst auch, dass Älteste Freundin nur eine Rolle auszufüllen scheint. Das trifft es sehr gut, finde ich. Es ist eine besondere Rolle. Sie wird ganz plötzlich als einzige und letzte Vertraute erwähnt - nach der Hälfte der Geschichte! Dann hat sie auch schon ihren Auftritt und verschwindet wieder.
Dieses ganze Dahindümpeln der Geschichte und der Protagonistin wird im Gespräch mit Ältester Freundin plötzlich auf den Punkt gebracht, klar gestellt. Aber eigentlich ist sie allein. Bis zu diesem Gespräch und auch danach wieder.
Vielleicht hat Älteste Freundin recht, wenn sie sagt, dass es eigentlich nicht um die Bedrohung durch den Milchmann geht. Dass er es nur endlich schafft, die Heldin aus ihrem Verhalten herauszuholen.
Was haltet ihr von dem echten Milchmann, zu dem sie ins Auto steigt (was sie beim Milchmann ja auch keinen Fall tun möchte) und der so hilfsbereit und vertrauenswürdig scheint? Auch eine skurrile Rolle, über die man vlt noch genauer nachdenken sollte.
Ich glaube auch nicht, dass sie sich den Milchmann einbildet. Aber er ist - wie alle anderen Figuren auch - eine sehr künstlich angelegte Figur. Eine Figur, die ihre Rolle ausfüllen soll, statt Individualität zu verkörpern. So kann man vlt drauf kommen, dass er nur eingebildet ist. Von allzu realistischen, konkreten Interpretationen muss bei diesem Buch wohl Abstand nehmen. Auch wenn natürlich die Realität gespiegelt wird, spielt die Geschichte in einem komplett künstlichen, fiktiven Setting.
liebe taenja_radi und tochteralice, ihr sprecht mir aus der Seele, mich hat die Autorin in diesem Kapitel total verloren. Endlos ging es hin und her, was da alles angedroht wird und dann die Ältestefreundin… schade irgendwie, ich dachte jetzt komme ich langsam auf Touren:-)
Nachhaltig beeindruckt hat mich in diesem Abschnitt eine kleine Szene: Als die Protagonistin sich im eigenen Zuhause verfolgt fühlt und ihr eines Abends die „Geister“ die Füße aus dem Bett reißen.
Das beschreibt so treffend, wie man in sehr bedrängenden, beängstigenden Situationen das Gefühl hat, in die Tiefe zu fallen.
Den Abschnitt mit Beste Freundin fand ich auch noch ganz lesenswert, ansonsten habe ich wirklich sehr lange kein so schwieriges Buch mehr gelesen.